Alles rund im Radkasten?

Sie fahren fürs Leben gern Bus und Tram, dennoch runzeln Sie wegen den VBZ manchmal die Stirn? Dann sind Sie in bester Gesellschaft! Fast täglich erreichen uns interessante Fragen zum öffentlichen Verkehr, die uns zeigen, was unseren Fahrgästen unter den Nägeln brennt. Beantwortet werden sie in dieser Serie namens «Händ Sie gwüsst ...?» Heute erklären wir, warum manche Räder rattern und wie die VBZ den Geräuschen mit einer Eigenentwicklung Einhalt gebietet.

Wenn Sie morgens ein «Rattatattata» hören, entspringt dieses Geräusch eventuell dem Kopfhörer des Nebenmannes – ebenso wahrscheinlich aber liegt die Quelle des Ratterns unter ihnen. Dann nämlich, wenn im Radkasten nicht mehr alles rund läuft. «Polygonisierung» nennt der Fachmann den Vorgang, wenn das Rad durch Verschleiss allmählich die Gestalt eines Vielecks annimmt.

Wie es dazu kommt und was dagegen getan wird, erklärt Christian Fischer, Meister Radsatzbearbeitung und stellvertretender Leiter im Depot Oerlikon.

Die Polygonbildung tritt bei den meisten Schienenfahrzeugen auf und führt – nebst der veränderten Form der Räder – auch an den Schienen zu Verschleisserscheinungen. «Kurven mit engen Radien beschleunigen dabei vermutlich das Fortschreiten der Schäden», so Fischer. Hat dieser Prozess begonnen, verursacht er dort Vibrationen, wo der Kontakt zwischen Rad und Schiene entsteht – was die Polygonisierung weiter beschleunigt.

Niederflurbauweise verursacht Geräusche

Am lautesten hört man die Räder des Cobra-Trams. Das liegt an der Bauweise des Trams: Beim Cobra nämlich gibt es, bedingt auch durch die Niederflurigkeit, nur wenig Platz zwischen dem Fahrwerk und dem Fahrzeuginnenraum. Dadurch sind die Geräusche beim Kontakt von Polygon und Schiene deutlich schneller hörbar als bei anderen Fahrzeugtypen. Insgesamt lasten 38 Tonnen auf den Rädern bzw. auf der Grösse von zwölf Zehnräpplern, betrachtet man den direkten Kontakt Rad-Schiene.

Radsätze halten rund zwei Jahre. Etwa alle vier bis fünf Monate nach 30’000 gefahrenen Kilometern beseitigen fünf Spezialisten im Schichtbetrieb und am Wochenende mit einer Unterflurdrehbank Flachstellen an den Radsätzen und sorgen für ein sanftes Abrollen der Räder. Ebenso werden natürlich Räder, die bereits durch das unangenehme Geräusch auffallen, so schnell als möglich bearbeitet.

Das VBZ-Team baut ein innovatives Messgerät

Die möglichen Gründe zur Entstehung von Polygon sind vielfältig und reichen von Ursachen im Getriebe bis zum Bremssystem. Eindeutige Antworten auf die Frage nach den Ursachen gibt es aber ebenso wenig wie eine Gesetzesmässigkeit:  «Die Polygonbildung führt je nach Ausprägung der entstehenden Schwingungen zu einer Materialermüdung der Fahrzeugkomponenten. Allerdings tritt sie nicht gleichmässig an allen Rädern eines Fahrwerks auf, manchmal passiert dies sehr rasch, manchmal gar nicht», erklärt Fischer. Damit sind die Reparaturen an den Rädern nicht planbar, was die Arbeit bisher erheblich erschwerte.

Ein interdisziplinäres, dreiköpfiges Team der VBZ im Bereich «Fahrzeug Engineering» tat sich deshalb zusammen und tüftelte an einer technischen Lösung, basierend auf einer Diplomarbeit mit entsprechendem Prototypen, an der einer der Dreien beteiligt war.

Das Ziel war, Mängel so frühzeitig als möglich zu erkennen und zwar, bevor die Fahrgäste die erhöhten Geräuschpegel bemerken. «Wir haben ein Messgerät entwickeln, das autonom Polygone auf den Rädern erkennt und diese mittels Sensormodulen an einen Rechner meldet, damit dem Wartungsteam regelmässige Informationen über den Zustand der Radsätze zur Verfügung stehen», so Fischer. Dieses kommt seit Ende 2022 bei fast allen 88 Cobras zum Einsatz: In dem innovativen VBZ-Wartungssystem werden alle Informationen zum Polygonstatus in einer Datenbank gespeichert und stehen den Spezialisten des Wartungsteams jederzeit via Dashboard im Intranet zur Verfügung. So kann bei auftretendem Polygon sofort reagiert werden. «Das erleichtert unsere Arbeit ungemein und spart Kosten », freut sich Fischer. Die VBZ-eigene Lösung und intensive Zusammenarbeit im Unternehmensbereich Technik hat sich damit mehr als bewährt – und auch die Fahrt im Cobra wird wieder angenehm leise.

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