Das Ende des Oerlikoner Generationengrabens

Am 13. Dezember klopft der Fahrplanwechsel an die Tür. Fast so, wie in der Woche davor der Samichlaus, wobei der neue Fahrplan keine Rute, sondern gut vernetzte Routen der städtischen Buslinien bringt. Einer dürfte sich über die Neuerungen besonders freuen: Arthur Gubler – der Mann, der sich schon früh für eine durchgehende Busverbindung in Oerlikon stark gemacht hatte.

Als Arthur Gubler im Jahr 2006 in die Altersresidenz Nordlicht beim Bollingerweg zog, wurde er schnell auf ein Hindernis aufmerksam, das ihn und seine Mitbewohner vom frischen Gemüse und weiteren Lebensnotwendigkeiten trennte wie einst der Gotthard die Urner vom Tessiner Salami: Der Bahnhof Oerlikon. Die Altersresidenz nämlich liegt in Oerlikon Nord. Um die Geschäfte in Oerlikon zu erreichen, musste die Unterführung des Bahnhofs passiert werden. Ein schier unüberwindbarer Graben für viele Senioren, die nicht mehr gut zu Fuss sind.

Als Pionier für Individualreisen in ferne Länder und zu «exotischen» Volksstämmen hatte der kontaktfreudige Gubler als Nebenberuf die halbe Erdkugel bereist. Von einer Bahnhofsmauer liess sich der unterdessen 88-jährige also gewiss nicht entmutigen. Da hatte er in China ganz andere Mauern überwunden. «Sogar de Finanzminischter han ich troffe, während der Kulturrevolution – ich, de Pöschtler vo Oerlikon», sinniert der vife Pensionär über sein aufregendes Leben. Flugs setzte er sich also an den Computer und überlegte, wie man die Hürde überwinden könnte. Schliesslich wandte er sich an die VBZ, mit der Bitte, man möge doch den Bahnhof umfahren und den Bus unter der Brücke durch auf die andere Seite führen. Gubler schmunzelt: «Me chönnti mit em 75er witterfahre, das han ich denä damals scho gseit».

Engagierte sich über Jahre für eine durchgehende Busverbindung in Oerlikon: Arthur Gubler. (Bild: VBZ)

Ein komplexes Verfahren

Tatsächlich war die bessere Vernetzung des Bahnhof Oerlikon anno 2006 schon im Fokus der Verantwortlichen. So ein Projekt können die VBZ aber nicht im Alleingang durchführen: Die Massnahmen müssen sich harmonisch in eine übergeordnete städtebauliche Strategie einfügen. Die beteiligten Gremien – nebst den Zürcher Verkehrsbetrieben auch das Amt für Städtebau, das Tiefbauamt, die Dienstabteilung Verkehr sowie SBB und ZVV – brüteten gemeinsam an einem städtebaulichen Leitbild, das sich auf den Bahnhof Oerlikon Ost als Umsteigezentrum konzentrierte. Als die Ergebnisse Ende 2009 auf dem Tisch lagen, vermochte keines der erarbeiteten Szenarien die städtischen Entscheidungsträger restlos zu überzeugen. Auch Arthur Gubler blieb am Ball: «Ich han die richtig gnervt, übere langi Ziit». Der Schalk blitzt aus seinen Augen: «Ich mach das ebä no gärn – aber allem Aschiin ah händs jetzt au no de Plausch dra».

«He, da müess mer ja en neue Bus chaufe, das choschtet 750‘000 Franke, hett’s gheisse»

Zu guter Letzt liess der ZVV im Frühjahr 2010 verlauten, dass die erforderlichen Mittel für das geplante Buskonzept den Budgetrahmen des Fahrplanverfahrens 2012/13 überstiegen. «He, da müess mer ja en neue Bus chaufe, das choschtet 750‘000 Franke, hett’s gheisse». Gubler schüttelt den Kopf. Also setzten sich alle involvierten Parteien erneut an einen Tisch und optimierten die bisher geplante Buslinienführung.

Alle Wege führen nach Oerlikon Süd – einige dauern etwas länger

In der Zwischenzeit umkreisten einige der Senioren den Bahnhof mit dem Taxi vom Norden in den Süden. Andere bestiegen die Buslinie 75 in die entgegengesetzte Richtung. Sie pendelten bis nach Seebach, um von dort mit der Linie 14 völlig treppenfrei wieder zurück nach Oerlikon zu gelangen. Diese an sich clevere Taktik barg nebst dem Umweg weiteren Unbill: Am Bollingerweg nämlich waren die stadtauswärts wartenden Damen und Herren allfällig auftretendem Sturm, Hagel und Graupelschauer ausgeliefert: Ein Wartehäuschen gab es nur stadteinwärts.

Wiederum war es der dynamische Arthur Gubler, der sich für seine Mitbewohner um ein Dach über dem Kopf verdient machte und im Sommer 2013 bei den VBZ vorstellig wurde. Im November des gleichen Jahres war das Wartehäuschen recht unbürokratisch bewilligt. Letzten Endes handelt es sich aber dennoch um ein Bauprojekt, in welches das Tiefbauamt, das Elektrizitätswerk, die Dienstabteilung Verkehr, die Wasserversorgung Zürich, die Grundeigentümerin, ein Bauunternehmer und ein Notar involviert werden mussten. Zur Freude der Bewohnerinnen und Bewohner der Residenz Nordlicht stand das Häuschen dann binnen eines Jahres. «Als Chinakenner behaupte ich, dass die Chinesen in dieser Zeit einen Wolkenkratzer gebaut hätten», resümiert Gubler keck.

Manch eine Änderung im ÖV-Netz birgt wohl so ihre Geschichten: Nicht nur von Absprachen, die getroffen und Hürden, die überwunden werden müssen – sondern auch von Menschen, die sich für etwas stark gemacht haben. Und das mit Erfolg: Am 13. Dezember ist es nun nämlich endlich soweit – die Nordlicht-Pensionäre können aufatmen und einsteigen: In die Linie 75, die sie über den Bahnhof Oerlikon Ost bis zum Sternen Oerlikon bringt.

Weitere Angebotsänderungen am Fahrplanwechsel

Natürlich ist die Verlängerung der Linie 75 nicht die einzige Neuerung, die am Fahrplanwechsel für bessere Verbindungen sorgt. Wie in Oerlikon gibt es auch in Affoltern, Seebach und Schwamendingen sowie in Altstetten, Wiedikon und Wipkingen neue Verknüpfungen und verlängerte Strecken für direktere Fahrten, aber auch bessere Anschlüsse und mehr Platz in den Fahrzeugen. Die neue Linie 83 beispielsweise bringt eine direkte Fahrt vom Milchbuck bis nach Altstetten. Und ab dem 18. Dezember haben auch die im Holzerhurd und beim Waidhof wohnhaften Fahrgäste am Wochenende einen Nachtbus. Alle Details finden Sie hier: vbz.ch/fahrplanwechsel

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