«Der Ausnahmezustand ist unser Job.»

Was genau ist die Aufgabe eines VBZ-Serviceleiters? Welche Probleme hat er zu bewältigen, wodurch wird sein Job unvergleichlich? Christian Schmidmeister, seit 10 Jahren als Serviceleiter tätig, weiss diese Fragen zu beantworten.

«Als Serviceleiter bei den VBZ stehen wir immer an vorderster Front, wenn es um Störungen geht. Wir sind quasi die interne Feuerwehr. Meine Kollegen und ich reagieren bei Kollisionen und Fahrzeug-, Weichen- oder Fahrleitungsstörungen. Wir betreuen verwirrte Fahrgäste, machen örtliche Durchsagen bei Umleitungen und organisieren Ersatz, wenn ein Fahrer ausfällt. Selbst um halterlose Hunde in VBZ-Fahrzeugen kümmern wir uns.

Im Grunde kann mir an meinem Arbeitsplatz überall in der Stadt alles passieren, was mit Fahrzeugen, Material wie Schienen oder Fahrleitungen und natürlich nicht zuletzt mit Menschen zu tun hat. Es ist dann meine Aufgabe, möglichst schnell nach Lösungen zu suchen und Entscheidungen zu treffen.

Hysterisch herumspringende Fahrgäste

Einmal wurde ich zu einem Einsatz beim Irchel bestellt. Im Fahrzeug, einem Tram 2000, hiess es, sei eine herrenlose Kiste gefunden worden. In der Meldung stand dazu ‹Karton mit lebenden Tieren›. Die Meldungen erfolgen oft durch die Fahrgäste via Trampilot/in. Offenbar wurden im Inneren des Kartons verdächtige Geräusche wahrgenommen. Ich kam also zum Irchel und hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Ein Hund? Giftschlangen? Skorpione? Als ich den Wagen betrat, war mir sofort klar, worum es geht. Der Karton hatte einen Riss, die Tiere hatten sich bereits befreit und hüpften aufgeregt durch das Tram. Genau 1‘500 Insekten an der Zahl. So nämlich stand es auf dem Karton angeschrieben: ‹1‘500 Futtergrillen›.

Ich kämpfte mich durch das hysterische Getier und beförderte erst einmal den Karton mit den dort verbliebenen Grillen in die freie Natur. Sodann holte ich einen Besen aus meinem Auto und wischte damit die restlichen Tierchen so sanft wie möglich nach draussen. Das Tram sollte so bald wie möglich wieder einsatzbereit sein. Aber leider warteten die Grillen nicht geduldig am Boden auf ihren Auszug, sodass vereinzelte Exemplare wohl noch bis Betriebsschluss irgendwo herumsprangen.

Sei es eine technische Störung oder eine Kollision: Man weiss nie wirklich, was man vor Ort antrifft. Die Zeit drängt immer, schliesslich soll der normale Fahrbetrieb schnellstmöglich wieder hergestellt sein. Wobei ich betonen möchte, dass der wahre ‹worst case› natürlich weit über das zuvor erwähnte Grillen-Intermezzo hinausgeht. Es geht um Fälle wie ich einen in Wollishofen erlebte, wo ein Baggerführer mit seinem Fahrzeug versehentlich eine Fahrzeugleitung heruntergerissen hatte. Der Mann musste der Sanität übergeben werden, und die Fahrleitung kam auf ein Tram zu liegen. Bis durch das EKZ und weitere Fachleute sichergestellt war, dass das Tram selbst nicht unter Strom stand, durfte niemand das Fahrzeug verlassen. Das dauerte natürlich eine halbe Ewigkeit, und dass betroffene Fahrgäste für eine solche Situation Verständnis zeigen, kann man natürlich auch nicht erwarten.

Die für mich schlimmsten Momente sind aber immer jene Zwischenfälle, in welchen es um Menschen geht, die sich eine schwere Verletzung zugezogen haben. Da wir in vielfach als Erste vor Ort sind, übernehmen wir als Serviceleiter die Erstbetreuung bis zum Eintreffen der Sanität und der Polizei und unterstützen diese dann auch, wo immer möglich. Solche Situationen gehen mir freilich immer sehr nahe, doch damit müssen wir umgehen können. Der Ausnahmezustand ist unser Job.»

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