Ein Liebesmärli

Wenn der Samichlaus im Jelmoli Märli-Tram vom Kurs abweicht und im Dunkel der Dämmerung ein Mann seine Ankunft erwartet, dann werden selbst Engel überrascht.

Matthias hatte dicht gehalten. Sein Geheimnis war so gut gehütet wie das Codewort, mit dem Santa Claus seine Rentiere zum Fliegen bringt – bis zwei Tage, bevor der Plan ins Rollen kommen sollte. Dann aber brauchte er Verbündete. Den Samichlaus zum Beispiel, zwei Engel und die Mitarbeitenden vom aktuell grössten Märli-Tram der Welt (welches übrigens in der Bahnhofstrasse steht). Mit ihrer Hilfe, so seine Idee, würde er das Tram stoppen, entern und seine Tat vollbringen.

«Es sind die stetigen, kleinen Gesten der Wertschätzung und Zuneigung, die ein gutes Leben ausmachen.»

Vier Jahre war es her, seit sein Weg den von Jiana kreuzte. Kennengelernt hatte er die Griechin weder auf einem königlichen Ball, noch auf Tinder, sondern ganz klassisch im Kreise gemeinsamer Kollegen: Dort, wo die Lichter besonders hektisch blinken – an einer Chilbi. Fragte man ihn, was er an Jiana besonders liebe, so sprudelte es aus ihm heraus, wie herzlich und unkompliziert sie sei. Jiana selber mochte seine ruhige Art, die ihr lebendiges Naturell perfekt ergänzte. Besonders schätzten aber beide,  dass sie jederzeit auf einander zählen und sich gegenseitig gut zuhören konnten.

Das Märli-Tram rollt, wohin Matthias will

Was sie bis dahin vielleicht noch nicht so genau gewusst hatte, war, dass  Matthias auch überaus zielstrebig sein konnte. Als er an die Pforten der Hüter des rollenden Schmuckkästchens – also bei Jelmoli – anklopfte, beschied man ihm, das Märli-Tram sei den Kindern vorbehalten, punktum. Erwachsene bleiben draussen, insofern sie keine Märli-Figur sind. Doch ist unser Held ja quasi der Prinz in dieser Geschichte. Und so kam es, dass er eines schönen Tages nach dem Eindunkeln am Limmatquai wartete, bis das rot-gülden leuchtende Vehikel daher geruckelt kam.

Der letzte Novembertag neigte sich dem Ende zu, ein Hauch von Sternenstaub lag in der Luft. Schon als kleines Mädchen hatte Jiana das Märli-Tram geliebt. Hätte man ihr damals erzählt, dass sie dermaleinst selbst zum Engel würde, sie hätte wohl ungläubig den Kopf geschüttelt. Ihre Anstellung bei Jelmoli machte es dann aber möglich, und so zauberte sie nun schon seit fünf Jahren unvergessliche Erinnerungen in die Köpfe der kleinsten unserer Mitbürger. Unter dem Eindruck der lachenden Kindergesichter, die unterdessen glücklich den Heimweg angetreten hatten, ahnte sie nichts von der kleinen Verschwörung, die bald ihr eigenes Herz dazu bringen sollte, schneller zu schlagen. Es kam ihr nur am Rande merkwürdig vor, als sich das Märli-Tram – anstatt schnurstracks ins Depot zurückzukehren – in die Kurve legte und dem weihnächtlich erleuchteten Limmatquai entlang sauste.

Augen, so funkelnd wie Sternenstaub

Plötzlich erzitterte ihr Heiligenschein, das Tram quietschte und kam zum Stillstand. Wer erwartet, dass nun einer vor dem Fenster rief, sie möge ihr Haar herunter lassen, sehe sich getäuscht. Auch verlor sie weder einen Schuh, noch nagte sie an einem unbekömmlichen Apfel. Nein, als sie in Richtung der sanft beschlagenen Fenster blickte, sah sie, wie Matthias behende das Tram erklomm, bewaffnet mit einem Blumenstrauss. Was sie noch nicht einmal weiter erstaunte, kam er doch – ganz Gentleman alter Schule – öfters mit blühenden Aufmerksamkeiten daher. Es sind nicht die seltenen grossen Feste und Feuerwerke, die ein gutes Leben ausmachen, sondern die stetigen, kleinen Gesten der Wertschätzung und Zuneigung.

Als Matthias seinen Mantel schwungvoll auf die Bank warf und im Anzug vor Jiana stand, wäre sie wohl doch ins Grübeln geraten, so sie dazu Zeit gehabt hätte. Flugs aber sank er vor ihr in die Knie, zückte eine dunkelblaue Schatulle, lenkte ihren Blick auf einen Ring, so glitzernd wie der Sternenstaub in ihrem Gesicht, und bat sie, seine Frau zu werden. Hatte eben noch die Zeit still gestanden, so kam jetzt Leben in das Tram. Die Engel riefen «Hurraaaah», des Samichlauses Bart erbebte, und Jiana stand in Tränen der Freude.

Genau so hat es sich zugetragen, kurz vor dem ersten Advent. Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte: Wer weiss, vielleicht wird man schon bald, irgendwo in Zürich, eine grosse, ausgelassene Gesellschaft zu Schweizer Liedgut singen hören und zu Sirtaki tanzen sehen. Ein rauschendes Fest, dessen Wurzeln zurück ins Märli-Tram reichen. In jene rollende Märchenstunde, die dem jungen Paar einen Bogen von der eigenen Kindheit bis zum «Ja»-Wort schlägt. Und eines fernen Tages werden die alten, hölzernen Bänke den Nachkommen unseres Brautpaars ein Stück Familiengeschichte zuflüstern. Die Moral von der Geschicht? Was zum Fest der Liebe hin beginnt, wirkt weiter bis in alle Zukunft.

*Wir gratulieren unserem Märli-Tram-Engel Jiana und ihrem Partner Matthias ganz herzlich zur Verlobung vom 30. November 2018, im Jubiläumsjahr des Jelmoli Märli-Tram, und wünschen all unseren Leserinnen und Lesern frohe, wunderschöne Weihnachtstage.

 

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