Eine besondere Freundschaft

Natur und Stadt – sind sie Freunde oder Feinde? Unsere Autorin ist dieser Frage nachgegangen und versuchte herauszufinden, welche Lebensformen auf den VBZ-Dächern anzutreffen sind.

Was haben Blauflüglige Sandschrecken, Gestreifte Mulmnadeln, Hufeisen-Azurjungfern, Waldteufel oder Gelbbauchunken gemeinsam? Es handelt sich dabei um Tierarten, die unsere Stadt bevölkern. Oft unbemerkt, leben nämlich inmitten von Häusern, Strassen und Beton – in unserer Grossstadt Zürich, die noch immer irgendwie Dorf ist – unzählige Tier- und Pflanzenarten. Deren Lebensräume zu schützen und zu erhalten ist unter anderem die Aufgabe von Grün Stadt Zürich. Zusammen mit Vereinen, Politikerinnen und Politikern, Firmen und Privatpersonen, haben sie den Verbund Lebensraum Zürich gegründet, der zum internationalen Tag der Biodiversität das Festival «Abenteuer StadtNatur» organisiert, das die VBZ als Partner unterstützen. An verschiedenen Schauplätzen und in vielfältigen Veranstaltungen kann die Bevölkerung vom 20. – 22. Mai die Stadtnatur entdecken, erleben und geniessen.

Inspiriert vom Gedanken, dass es rund um mich herum kreucht und fleucht, werde ich neugierig. Wie zeigt sich das zum Beispiel über den Köpfen unserer Belegschaft, also auf dem Flachdach der VBZ-Zentralwerkstatt in Altstetten? Zusammen mit Bettina Tschander von der Fachstelle Naturschutz bei Grün Stadt Zürich nehme ich einen Augenschein.

Bettina Tschander von der Fachstelle Naturschutz bei Grün Stadt Zürich nimmt einen Augenschein. (Bild: Julia Müller)

Einheimische und Zier- Mauerpfeffer, Rosetten von Habichtskraut, Moos – besonders üppig hat sich die Vegetation hier nicht ausbreiten können, da nur eine sehr geringe bewuchsfähige Substratschicht vorhanden ist. Doch schon diese Pflanzen leisten einen wichtigen Beitrag, zum Beispiel bei der Staubfilterung. Ein paar Ameisen und kleine Käfer sehen wir davonkrabbeln, sonst scheinen sich die Tierchen im Hintergrund zu halten. Ausser die tausenden von Honigbienen, die auf dem VBZ-Dach wohnen und im Frühling wieder mit der Arbeit beginnen.

Dezente Begrünung auf dem VBZ-Dach in Altstetten. (Bild: Julia Müller)

Vision Dachnatur

Jetzt will ich es aber doch etwas genauer wissen – wieso sind Flachdächer überhaupt wichtig für die Biodiversität in der Stadt? Und was könnten sie, wenn man sie spezifisch darauf ausrichtet, für Lebensräume bieten? Bettina Tschander wohnt selber mitten in Zürich und erlebt die beengten Platzverhältnisse, bei welchen sich die Natur nur bedingt ausbreiten kann, Tag für Tag: «Dachbegrünungen sind wie kleine grüne Inseln inmitten der von Pflanzen und Tieren nicht direkt bewohnbaren Häuser und Strassen. Zusammen mit Bäumen, Hecken, Verkehrsinseln und grösseren Flächen wie Gärten oder Grünanlagen bilden sie einen lückigen Lebensraumteppich durch die Stadt.» Und dieser Teppich hat eine beachtliche Grösse: Mit rund 200 ha gibt es in der Stadt Zürich etwa gleich viel begrünte Dachflächen wie ökologisch wertvolle Wiesen. Und es gäbe noch viel mehr begrünbare Flachdachfläche, mindestens doppelt so viel. Nebst der Begrünung könnte mit gezielten Massnahmen zur Strukturvielfalt – unterschiedliche Schichtdicken, Sandlinsen, Asthaufen, temporäre Wasserflächen etc. – auch das Lebensraumangebot für Tiere verbessert werden, zum Beispiel für Wildbienen, die sich im Sand eingraben, Spinnen, Fluginsekten, Asseln oder Hundertfüsser.

Ein paar Beispiele für gezielt geplante Dachbegrünungen in Zürich:

Freunde oder Feinde?

Ist Stadt und Natur denn überhaupt zusammen möglich? «Unbedingt», meint Bettina Tschander. Menschliche Nutzung präge zwar, was an Natur möglich sei. Je mehr man zulasse, umso mehr würden sich aber auch wieder natürliche Prozesse entwickeln, auch im urbanen Umfeld. Wichtig sei die Bereitschaft dazu.

Wie man selber einen Beitrag leisten kann

Für Menschen, die in der Stadt leben und einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten möchten, hat Bettina Tschander ein paar Tipps: Wer Sträucher pflanzt, sollte einheimische Arten wählen. Zum Beispiel könnte als Sichtschutz Eibe, Liguster oder Buchs anstelle von Kirschloorbeer verwendet werden. Letzterer wirkt nämlich verdrängend und passt nicht ins Nahrungsnetz, denn die Tiere brauchen zum fressen Pflanzen, die schon lange da sind. Schön wäre auch, wenn anstelle von gepflegtem Rasen vermehrt auf bunte Wiesen gesetzt würde, die eine viel grössere Artenvielfalt zulassen. Wer keine Wiesenfläche zur Verfügung hat, kann auf dem Balkon in Töpfen Wildblumen sähen. Auch Vögel und Wildbienen, die in der Stadt zwar meist eine gute Nahrungsgrundlage, jedoch keine geeigneten Nistplätze finden, können unterstützt werden. Informationen zum Anlegen von künstlichen Nisthilfen finden sich beispielsweise auf www.wildbienen.info und www.vogelwarte.ch. Und schlussendlich hilft auch das Anlegen von Kleinstrukturen wie Holzbeigen, Stein-, Laub-, Ast- oder Komposthaufen, die Unterschlupf und Nahrungsgrundlage für zahlreiche Tiere bieten. Unterstützung und Beratung gibt es bei Grün Stadt Zürich.

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