Eine etwas andere Weindegustation

Trinken und fahren? Doch, das geht: Im Mai und Juni veranstalten die VBZ in Zusammenarbeit mit Landolt Weine Genussrundreisen für Weinliebhaber und Menschen, die es werden möchten. Geschäftsleiter Marc Landolt verrät, auf was man beim Reden über edle Tropfen besser verzichten sollte – und wie der im Oldtimertram ebenfalls kredenzte Jubiläumswein zu seiner Etikette kam.

Im Lavaux, dem ebenso grossen wie grossartigen Weinbaugebiet oberhalb des Lac Léman, das sich über 40 Kilometer erstreckt, UNESCO-Welterbe ist und von Superstar Prince in einem Song verewigt wurde, haben Gäste die Möglichkeit, mit einem «Train des vignes» ab Vevey mitten durch die eindrückliche, terrassenartige Rebenlandschaft zu fahren; wer dabei gern degustieren möchte, tut dies in den Weinkellern all der kleinen Ortschaften, welche die malerische Strecke säumen.

Nun, ganz so nahe kommt das Zürcher Weintram den hiesigen Rebbergen nicht. Ansonsten jedoch steht das Angebot der VBZ-Genusslinie der Waadtländer Touristenattraktion in Nichts nach – im Gegenteil!

Erstens nämlich wird die Klientel nicht in einem alltäglichen Schienenfahrzeug zu den Sehenswürdigkeiten kutschiert, vielmehr ist es ein schicker Oldtimer, der diese Aufgabe übernimmt. Zweitens müssen die Weinliebhaberinnen und -liebhaber nicht aus- und wieder einsteigen, um die erlesenen Tropfen zu probieren; alle fünf Weine – ein Schaumwein, zwei weisse, zwei rote – werden während der Rundreise kredenzt, was dem Anlass die nötige Note an Gemütlichkeit verleiht. Drittens gehört zur Tranksame selbstverständlich auch ein «Apero riche»-Plättli, das zeitgemäss in den Varianten «Klassik» (Bergkäse, Trockenfleisch, Landjäger, Antipasti-Gemüse, Hausbrot), «Vegetarisch» (Bergkäse, Antipasti-Gemüse, Hummus, Gurkensticks, Kartoffelsticks, Hausbrot) oder «Vegan» (Antipasti-Gemüse, Hummus, Gurkensticks, Karottensticks, glutenfreie, vegane Pinsa) angeboten wird.

Der «Grüne Heinrich» entstand mitten im Weingebiet

Soviel als verbaler Appetitanreger, kommen wir zum Hauptmenü beziehungsweise zum Hauptdarsteller dieser Geschichte – der dafür sorgt, dass das Oldtimer-Tram der VBZ spasseshalber in «Landoltimer» umbenannt worden ist. Witz erkannt? Ganz genau, es geht um das die Firma Landolt Weine.

Der Familienbetrieb, 1834 vom Theologiestudenten Emanuel Hess gegründet, ist nicht nur der älteste, sondern dank einer Anbaufläche von rund sechs Hektaren auch der grösste Winzer der Stadt.

Als solcher bewirtschaftet er drei der «prominentesten» Zürcher Rebberge: Der eine befindet sich unterhalb des vormaligen Hauptsitzes des Weltfussballverbandes Fifa und des benachbarten Restaurants Sonnenberg, jahrelang bekannt als Gastrotempel des kürzlich verstorbenen Starkochs Jacky Donatz. Da wächst die Rebsorte Blauburgunder oder Pinot noir. Der zweite liegt unterhalb der Psychiatrischen Klinik Burghalde, mit bestem Blick auf den Zürichsee. Auf rund 15 Kilometer Terrassen reifen hier die Sorten Riesling-Silvaner, Räuschling, Kerner, Gewürztraminer, Pinot noir, Zweigelt und Merlot. Der dritte schliesslich «versteckt» sich im Enge-Quartier, unweit der evangelischen Kirche. Er trägt den Namen «Bürgli Enge», gereift werden hier Riesling-Sylvaner Trauben. Wissenswert: In der Villa Landolt, die oberhalb dieses Engemer Rebbergs steht, arbeitete Gottfried Keller am «Grünen Heinrich», einem seiner bekanntesten literarischen Werke.

Marc Landolt ist nicht ganz so berühmt wie der Jahrhundertschriftsteller. Doch auch der Geschäftsleiter der Weinhandlung, der zur sechsten Familiengeneration gehört und seit 31 Jahren im Betrieb tätig ist, weiss, wie man Geschichten erzählt, das realisiert man beim Telefongespräch mit ihm sehr bald.

Herr Landolt, für wen ist ein solches Tram-Tasting gedacht und gemacht?
Für Menschen mit Lust auf Erlebnisse. Wir haben auch auf den Weinwanderungen, die wir durchführen, immer wieder gesehen, dass die Umgebung die Wahrnehmung des Genusses beeinflusst. Und traditionelle Zürcher Weine in einem historischen Zürcher Tram, das ist ein vielversprechendes Setting.

Eines aber auch, bei dem das berühmte Filmzitat «geschüttelt, nicht gerührt» zum Thema werden könnte.
(lacht). Sie sprechen ein allfälliges Holpern an, wegen der Rolleigenschaften des Oldtimers.  Dieses Tram ist ja Genussfahrten-erprobt, wenn man das so sagen kann, es ist also nicht das erste Mal, dass Getränke ausgeschenkt werden. Aber wir haben das selbstverständlich vorgängig getestet, und das ging gut. Ich habe allerdings schon einen Unterschied zu einer normalen Tramfahrt festgestellt – in der Regel bin ich immer froh, wenn das Tram fährt, um pünktlich anzukommen … im Weintram dagegen sind wir Mitarbeitenden froh um jeden Halt, weil dann das Ausschenken merklich leichter fällt (lacht).

Sie werden nicht nur ausschenken, sondern auch erzählen, was sie kredenzen. Was ist wichtig, wenn man über Wein spricht?
Das hängt natürlich auch vom Anlass und dem Publikum ab. Aber es gibt ein paar Grundregeln. Wichtigtuerei zum Beispiel kommt selten gut an. Aber Fachwissen, auf verständliche und erlebbare, also anekdotische Art erzählt, das passt in den meisten Fällen.

Ich habe kürzlich eine Weinwerbung erhalten, die sich las wie ein Softerotikkatalog. Ich habe dann auf eine Bestellung verzichtet.
(lacht). Ich kann mir in etwa vorstellen, was sie meinen. Die Verlockungen eines Weins im Text herauszuarbeiten, ist grundsätzlich richtig, doch überschiessen sollte man nicht. Gleichzeitig bringt es auch nichts, nur mit Fachbegriffen um sich zu werfen, das kann gerade Laien abschrecken. Darum mag ich persönliche die gute, kleine Geschichte, die bestenfalls auch Emotionen weckt.

Marc Landolt in einem seiner Rebberge. (Bild: ©Giorgia Müller)

 

Kommen wir zu den fünf Weinen, die im Tram degustiert werden. Nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt?
Zentrale Idee war, dass alle angebotenen Weine aus Zürcher Rebbergen stammen, denen wir uns während der Fahrt wenigstens zum Teil auch annähern – wir wollen schliesslich zeigen, welch tolle Erzeugnisse unsere Böden hergeben, was viele Leute oftmals überrascht.

Landolt verfügt über rund 40’000 Rebstöcke in der Stadt Zürich und im Zürcher Weinland. Das ist nicht wenig, aber im Vergleich zu einem Gebiet wie dem Lavaux jedoch bescheiden. Ist es dennoch möglich, im Tram auch eine abwechselnde Auswahl zu offerieren?Absolut! Klar ist, dass ein frischer Schaumwein den Auftakt machen muss. Dazu gesellen sich dann ein blumiger Räuschling, ein G’mischter Satz, also ein Weisswein, der aus verschiedenen Rebsorten produziert wird, in unserem Fall sind dies Räuschling, Kerner und Gewürztraminer. Weiter geht es mit dem Pinot Noir von den Sonnenberg-Rebhängen, ein anspruchsvoller Wein für Kenner … oder wie wir intern bisweilen augenzwinkernd bemerken: Eher nichts für Primitivo-Liebhaber (lacht). Und den Abschluss macht der «1834», das ist eine noble Assemblage aus Zweigelt und Merlot.

Können sie zu einem der erwähnten Weine ein Beispiel einer Anekdote machen, wie sie die Gäste der Weinfahrt zu hören bekommen.
Nehmen wir doch gleich den «1834». Wir haben den zum 180-Jahr-Jubiläum von Landolt lanciert, also im Jahr 2014. Zuerst wollten wir ihn nach den Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula benennen. Doch der Legende nach wurde sie geköpft, und weil damals die Terrorgruppe IS regelmässig Videos veröffentlichte, auf welche sie ihre Gefangenen köpften, wussten wir: Aus gebotener Sensibilität ist dieser Name unmöglich. Wir studierten weiter, und dabei kritzelte ich gedankenverloren die Zahlen des Gründungsjahrs der Firma auf einen Papierzettel. Plötzlich sagte jemand: «Das ist es … und genauso!». Auf diese Weise hat es meine nicht überragend ästhetische Handschrift auf die Weinetikette geschafft (lacht).

Das Wein-Tram der VBZ Genuss-Linie

Das Weintram verkehrt an den Daten 19. Mai, 2. Juni, 8. Juni, 9. Juni, 15. Juni, 16. Juni und 22. Juni auf der Strecke Bellevue – Central – Bahnhofstrasse – Paradeplatz – Stockerstrasse – Bahnhof Enge – Wollishofen – Bahnhof Enge – Rentenanstalt – Bürkliplatz – Bellevue (WC-Halt) – Kreuzplatz – Römerhof – Kunsthaus – ETH – Haldenegg – Central – Belleveue. An jedem der fünf Daten gibt es zwei Fahrten. 1. Fahrt: 17.30 – 19 Uhr. 2. Fahrt: 19.30 bis 21 Uhr. Der Preis pro Person beträgt 95 Franken, inbegriffen sind neben Rundfahrt im Oldtimer-Tram das Wein-Tasting, Wasser und das Plättli (entweder «klassisch», «vegetarisch» oder «vegan»). Begleitet werden die Genussfahrten abwechslungsweise von den Landolt-Weinberaterinnen Anja Bohler, Stefanie Caduff und Marc Landolt.Mehr Infos unter genusslinie.ch

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