Eine Zerreissprobe und andere Strapazen

Ehe ein Stoff zur VBZ-Uniform wird, macht er so einiges durch: Zu Besuch bei der Firma Testex AG, welche die Textilien für die neue Uniform getestet hat.

Wer geht schon nicht gerne auf Shoppingtour, um sich eine neue Garderobe anzuschaffen? Nun, für manche der Beteiligten kann das ganz schön anstrengend werden: Gemeint sind in diesem Fall nicht die Herren, nein, die Rede ist vom zu erwerbenden Textil. Ein Stoff etwa, der es zur VBZ-Uniform bringen will, wird nämlich erst einmal auf Herz und Nieren geprüft.

Für dieses Prüfungsprozedere gibt es Profis, wie die Firma Testex AG beim Bahnhof Enge in Zürich. Gemeinsam mit dem Bekleidungsdienst der Verkehrsbetriebe Zürich haben sie die Anforderungen an den Stofftest festgelegt, der zukünftig als Grundmaterial für die Uniform eingesetzt werden soll. In einem Ausschreibungsverfahren haben verschiedene Anbieter ihre gewobenen Kandidaten anonymisiert ins Rennen geschickt, der Analysebericht der Textilfachleute floss dann in die Bewertung ein. Welche Analysen die Materialien beim Härtetest durchlaufen mussten, zeigt uns Andrea Bucher, «Technology Managerin» bei Testex, während eines Rundgangs.

Normiertes Klima

Es ist recht kühl im Textillabor, und das hat nichts mit der aktuellen Jahreszeit zu tun. «Wir haben hier ein standardisiertes Raumklima bei 20 Grad und 65 Prozent Luftfeuchtigkeit. Alle Textilien, die bei uns eintreffen, müssen erst während 24 Stunden an diese Bedingungen akklimatisiert werden», erklärt Bucher. Das Wort «normiert» fällt hier in jedem zweiten Satz, ebenso wie «standardisiert», kurzum: Nichts wird dem Zufall überlassen, die Tests werden streng nach Norm, in jedem Fall untereinander vergleichbar und unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt.

Für die VBZ-Uniform sind es Blusen, klassische Damen- und Herrenhosen, die etwas dickeren Five-Pocket-Hosen und das Innenfutter von jeweils vier Anbietern, die sich an die hier herrschenden klimatischen Verhältnisse gewöhnen durften. «Namhafte schweizerische Grossverteiler und Sport Brands zählen zu unseren Kunden», erzählt die Expertin. Aber auch Textilhersteller und Anbieter von Wäsche testen bei uns.

Unbestechlich: Der Wascator

Bei der VBZ-Uniform wird dem Stoff nichts geschenkt. Satte 75-mal wird er gewaschen. Freilich nicht mit irgendeinem Waschmittel, sondern mit einem normierten Referenzwaschpulver ohne optische Aufheller. Exakt zwei Kilogramm Material kommt in die Maschine, nicht mehr und nicht weniger. Letztere sieht zwar aus wie eine übliche Waschmaschine, ist aber ein sogenannter Wascator, mit exakt definierten Waschzyklen. Normale Maschinen richten sich nämlich nach dem Verschmutzungsgrad. Ein Wascator darf das nicht – unbeeindruckt spult er sein Programm ab.

Erbleicht ein Stoff im Zuge dieses Prozederes, verrät das der Graumassstab unter der Lichtkabine. Unter diesem Normlicht zeigt die allenfalls verwaschene Farbe einen Kontrast und es werden – fast wie in der Schule – Noten vergeben, wobei die beste Bewertung bei 5 endet. Die «Lehrer» bei Testex benötigen auf jeden Fall eine exzellente Farbsichtigkeit. Auch ein geschrumpftes Produkt ist unerwünscht. Anhand einer Schablone wird exakt gemessen, ob der Stoff seine ursprüngliche Grösse beibehalten hat.

Wer nicht gerne bügelt, wäre über den Knittertest besonders erfreut. Hier wird das Kleidungsstück nach dem Waschen in einem Dunkelraum – damit kein Lichteinfluss das Resultat verfälscht – mit einem Fotostandard verglichen. Sollte das Gewebe nach dem Wasch-Marathon zerknittert dem Wascator entnommen werden, so wird das aufmerksam notiert – und benotet.

Die Zerreissprobe

In einem weiteren physikalischen Härtetest wird der Stoff mit allerlei Gerätschaft strapaziert, bis ihm buchstäblich der (Gedulds-)Faden reisst. Besonders wichtig für die VBZ-Uniform ist jener Test, der anzeigt, wie schnell Fäden kaputt gehen, wenn der Stoff auf anderem Gewebe scheuert – auf Fahrzeug-Sitzen beispielsweise.

Bei der Pillingprüfung gibt die Maschine so richtig Stoff und reibt die Gewebeoberflächen aneinander. Dabei könnten sich Knötchen, umgangssprachlich «Fussel» bilden – oder idealerweise eben nicht. Auch dieser Test ist essentiell für eine Zielkundschaft, die sich viel bewegt, denn er prüft die Haltbarkeit an jenen Stellen, an denen der Stoff potenziell aneinander reibt – unter den Armen oder an den Oberschenkeln.

Unter den verschiedenen Webbindungen, erklärt Bucher, sind Köperbindungen (erkennt man an dem schrägstehenden Verlauf, bei Jeans etwa) strapazierfähiger als Leinwandbindungen (das hat nichts mit Malerei zu tun, man findet diese Bindungsart meistens bei Blusen). Welche Bindungsart eingesetzt wird, hängt unter anderem vom Verwendungszweck des Artikels ab. Die Maschine zerrt nach Strich und Faden an den Kräften des Stoffs, so lange bis er kapituliert und reisst.

Durchleuchtet und völlig aufgelöst

Ein weiterer Posten in diesem Hürdenlauf ist der sogenannte Xenontester. Dieses «Lichtechtheitsprüfgerät» belichtet das Material, um unter anderem zu prüfen ob die Farbe des Stoffs – auch in verschwitztem Zustand – lichtecht ist. Anhand eines Blaumassstabs wird benotet, ob die Farbe hinterher noch so intensiv leuchtet wie vorher.

Entsprechen die Rohstoffzusammensetzungen auch der offiziellen Deklaration? Um das zu prüfen, wird das Material im textilchemischen Labor in seine Bestandteile aufgelöst. So kann der prozentuale Anteil der angegebenen Fasern wie Baumwolle oder Polyester analysiert werden.

Welche Werte schlussendlich geprüft werden sollen, bestimmt der Kunde – je nachdem, welche Anforderungen die Textilien erfüllen müssen. Für Outdoor-Bekleidung beispielsweise bietet sich zusätzlich ein Test an, der festlegt, wie lange der Stoff wasserdicht bleibt. Dass der Ware auch in diesem Fall nichts geschenkt wird, versteht sich von selbst.

Textiltechnologen und der Standard 100 by OEKO-TEX®

Wer hier dem Gewebe zu Leibe rückt, hat in der Regel die Ausbildung zum Textiltechnologen EFZ oder zur Textilchemikerin durchlaufen. «Eine gute Grundausbildung», meint Andrea Bucher. Die Firma Testex bildet auch Lernende aus. Viele der Absolventinnen und Absolventen zieht es später in den Einkauf oder ins Design, wo sie mit ihrem geschulten Auge Kreationen verhindern, «die zum allgemeinen Erstaunen beim ersten Waschen abfärben», schmunzelt Bucher. Ohnehin gibt es auf dem Markt nicht genügend Stellen, um alle Absolventen im Erstberuf zu beschäftigen. Dafür aber umso mehr Kunden, auch aus dem Ausland. So zum Beispiel aus China, Indonesien, Südkorea, Taiwan, Malaysia, Australien… Dort nämlich unterhält die Testex Niederlassungen, in welchen sie die Textilfirmen berät und anschliessend das zu testende Material in die Schweiz schickt.

Andrea Bucher, Technology Managerin bei der Firma Testex. (Bild: Andrea Bucher)

Es könnte also sein, dass in der Regenjacke aus Taiwan Schweizer Prüfqualität steckt. Zumindest, wenn es sich um eine Jacke handelt, die dem Standard 100 by OEKO-TEX®  entspricht, also auf Schadstoffe geprüft wurde. Die Testex ist nämlich eines der 18 in Europa und Japan angesiedelten Institute, die diese Zertifizierung vergeben dürfen. Seit 2006 zertifiziert die Testex auch persönliche Schutzausrüstungen, also Kleidungsstücke, die beispielsweise im Strassenbau oder bei der Feuerwehr getragen werden.

Haben Textiltechnologen auch in der Freizeit den besonderen Blick für Qualität? «Auf gewisse Dinge achtet man schon», lächelt Bucher. Wenn sie selber Kleider kaufe, schaue sie sicher genauer hin. Das haben die VBZ auch getan, und – gemessen an den Prüfungen, denen sie die Uniformen für ihre Mitarbeitenden haben unterziehen lassen – müsste man fast glauben, dass diese mindestens so lange halten werden wie die nächste Tramgeneration.

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