Im eBus queer durch Zürich

Was die «PinkLine VBZ» an der «Zurich Pride» macht, und warum es dort nicht nur lustig ist.

Eigentlich ist Toleranz ja ein komisches Wort. Es kommt von tolerieren. Sollte es nicht letztlich so sein, dass ein Mensch nicht einfach toleriert, sondern ungeachtet seiner persönlichen Merkmale respektiert wird? Ganz so selbstverständlich ist freilich noch nicht mal das Erstere.

Das Anliegen, unabhängig von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung gleich behandelt zu werden, hat Zürichs Innenstadt an einem sonnigen Samstag farbenfroh belebt: Überall dort, wo sich die «Zurich Pride» wie der Inhalt einer Wundertüte in die Strassen ergoss. An der diesjährigen Demonstration nahm die «PinkLine VBZ» zum zweiten Mal offiziell am Umzug teil.

Die «PinkLine VBZ» ist das Pendant zu den «PinkCop» bei der Polizei: Ein Netzwerk der LGBT-Community, wobei LGBT für Lesbian-Gay-Bisexual-Transgender steht. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich in einem Verein zusammengeschlossen, um sich auszutauschen, gegenseitig zu unterstützen und ihren Anliegen orchestriert Gehör zu verschaffen.

Einhörner und der erste Kuss im e-Bus
Am Münsterhof, dort wo der Umzug bald beginnt, scheint die Sonne auf ein lebhaftes Durcheinander an Menschen, Luftballons und kunstvoll gestaltete Transparente.  Glitzernde Einhörner und Regenbogenfarben zieren die Stirn farbenfroh dekorierter Vehikel. Eines davon ist der moderne eBus, der heute mit einer weit grösseren Farbpalette als Blau-Weiss die Solidarität der VBZ bezeugt und das Team begleitet. «Mein erster Kuss im Bus»: Mit der lebensbejahenden Botschaft an der Front des Fahrzeugs würde es sich hervorragend als Gefährt für die Flitterwochen eignen – nur die Büchsen fehlen noch.

Wer sich exponiert, muss einiges ertragen können
Die Stimmung rund um den Bus ist gelöst: Man kennt sich, freut sich über die originellen Kostüme und liebevollen Details, die dem Anlass einen Hauch von Glamour verleihen. Trotz der heiteren Atmosphäre ist die Zahl der Menschen rund um die «PinkLine VBZ» überschaubar. «Viele wollen Beruf und Privates trennen», meint Andreas Schölermann, Präsident der «PinkLine VBZ»: «Manche sind sehr vorsichtig damit, sich zu exponieren». Das kann man verstehen. Kaum eine halbe Stunde am Münsterhof – man kommt hier schnell ins Gespräch – erfährt man zwischen anregend wummernden Bässen so ganz nebenher, wie die Umwelt bisweilen auf Menschen reagiert, die „queer“ sind, heisst, nicht der heterosexuellen Norm entsprechen. Mitunter ist die Familie plötzlich keine Familie mehr und selbst am Arbeitsplatz: Die Begrifflichkeiten, die es mancherorts auf die Betroffenen herabregnet, wollen wir an dieser Stelle nicht wiederholen – sie würden mit grösster Wahrscheinlichkeit vom Jugendschutzfilter aussortiert. Genauso, wie die Menschenverachtung dahinter aussortiert werden sollte. Und eben deswegen braucht es Verbindungen wie die «PinkLine VBZ».

Luftballons und Flucht
«No fear to be you» – das Motto der «Zurich Pride» gilt ja eigentlich nicht nur für «queer people», sondern für alle Menschen. Hier, an der «Zurich Pride», sind denn auch alle gleichermassen willkommen. «Unsere Kinder lieben anders – wir lieben sie genauso», appelliert ein Schild. Dass so ein Anliegen nicht einfach das Normalste der Welt ist, das ist nicht «queer», sondern liegt schlicht quer im Hals. Die diesjährige Demonstration legt ihren Fokus auf die Rechte von Flüchtlingen, die ihrer sexuellen Orientierung wegen verfolgt werden – in über 70 Ländern wird LGBT noch immer kriminalisiert. Ganz viele möchten am heutigen Tag im Grunde einfach nur mal abschalten, die gute Laune zelebrieren und ordentlich feiern. Gleichzeitig dringen aus dem Mikrophon des Redners auf der Hauptbühne die  Schicksale von LGBT-Flüchtlingen ins Ohr. Die Geschichten erzählt er mit der Unaufgeregtheit eines Mannes, dem sowas nicht neu ist. Man kann man sich dem Kontrast am Platz nicht entziehen. Die offene, herzliche Art der Anwesenden, das kreative Spektakel und die tieftraurigen, empörenden Geschichten prallen aufeinander und verursachen Gänsehaut.

Diversity bei den VBZ und anderen städtischen Betrieben
Bei den VBZ kann die «PinkLine VBZ» auf die volle Unterstützung der Personalabteilung zählen. Diese ist auch mit einem Stand am Kasernenplatz vertreten, dort wo nach dem Umzug die Party beginnt.  «Dennoch ist der Verein nur eine Übergangslösung», erzählt der engagierte Schölermann. Das Ziel sei es, sich gesamtstädtisch zu vernetzen, zum Beispiel mit den «PinkCop» – jenes Vorbild, das die «PinkLine VBZ» folgen liess – und eine bessere Integration im Unternehmen. Dazu möchte die «PinkLine VBZ» beim Gleichstellungsbüro vorstellig werden. Die Gleichstellung von Mann und Frau hat als Thema längst seinen festen Sitz im Organigramm, wieso also nicht ganz einfach die Gleichstellung aller?

Der Bus schnurrt wie ein Kätzchen, dann durchdringt ein aufrüttelndes Hupen die Luft: Der glitzernde Tross mitsamt Prinzessinnen, Hippies, Einhörnern und – «come as you are» – Menschen in Alltagskleidung setzt sich in Bewegung. Jetzt ist alle Nachdenklichkeit wie weggeblasen, es geht nur noch darum, ein Zeichen zu setzen: Das Leben könnte so leicht sein wie die zahlreichen mitflatternden Luftballons, wenn man nur respektvoll, anständig und gleichberechtigt miteinander umginge.

 

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