Lautes Gezeter im Tram, und alles endet wie im Märchen

Wenn es im Tram laut schimpft und wettert, will das nicht heissen, dass wieder mal einer den Sitz mit einer Tasche versperrt. Vielleicht ist es ein knorriger Wicht, dessen Geheimnis um seinen Namen eben gelüftet wurde. Aber was braucht es, damit es soweit kommt?

Hat Ihnen schon mal jemand im Sitzungszimmer Märchen erzählt? Wahrscheinlich schon. Aber wohl kaum jenes vom Wolf und den sieben Geisslein. Nein, es geht hier nicht ums Teammeeting. Sondern um eine Kostprobe des Minitheaters Hannibal für ein theatralisches Projekt. Die Märli-Experten Andrea Fischer und Adrian Schulthess wurden von den VBZ angefragt, um gemeinsam Kinderherzen höher schlagen zu lassen. Und so geschah es.

Geplant waren zunächst 12 Märli-Fahrten für die Zürcher Springinsfelde im Trampunzel – so nannten wir die Reise in die Welt der Geschichten. Die jeweils 20 Kinder, die pro Fahrt auf den hölzernen Bänkchen Platz nahmen, bekamen die Märchen nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Das Minitheater Hannibal performt mit grossem Einsatz von Mimik und Gestik. Auf das Märli mit den Geisslein indes haben wir verzichtet, lässt es doch jedem Verein zum Schutz des Wolfes das Blut in den Adern gefrieren: Da werden die Hauptdarsteller gefressen, das hungrige Tier aufgeschlitzt und… nun ja. Der potenzielle Ärger mit dem Tierschutzverein liess uns zurückschrecken. Also beschlossen wir, die Bühne den Bremer Stadtmusikanten zu überlassen und jenem garstigen Männlein, das mehr Wind um seinen Namen macht, als manche Promidame um ihr Alter; das Humpelpilz… pardon, Rumpelstilzchen.

Den organisatorischen Bürokram zu einem Märli-Tram spinnen

Wie auch im Märchen vom Rumpelstilzchen daselbst gab es zunächst einmal Arbeit zu erledigen: Die Daten mussten festgelegt, ein Budget erstellt und das Tram reserviert werden. Wer soll das bezahlen? Wir konnten einen Sponsoren für die Idee begeistern, dann wurde der Vorverkauf organisiert. Damit alle Welt davon erfährt, haben wir schliesslich eine Trampunzel-Werbung herbei gezaubert und in Zürich gestreut.

Bevor es so richtig zur Sache gehen konnte, wurde der Ablauf in einer Probefahrt geübt. Am Ende des Ausflugs im rumpelnden Oldtimer waren die Königstochter und das Rumpelstilzli heiser. Alles klar – ein Mikro musste her. Freilich sollte das Tram auch märchenhaft aussehen. Die Bedingung: kein brennbares Material. Die Ofenszene in Hänsel und Gretel hatten wir nämlich nicht geprobt. Also bemalten Andrea und Adrian eigenhändig die Fensterscheiben mit Szenen aus der Welt hinter den sieben Bergen, mit hohen Türmen und dunklen Wäldern. Das alles, um die Kunstwerke am Ende des Tages fleissig wie eine Goldmarie wieder weg zu waschen.

Bunt bemaltes Trampunzel-Tram (Bild: Patrick Mattes)

Der Tag, an dem das hölzerne Tram als Trampunzel erwachte

Das Märchenfieber zeigte sich ansteckender als «Atemlos» von Helene Fischer. Die VBZ-Projektleitung schlüpfte in das Rotkäppchen-Kostüm und selbst die Trampilotin schnappte sich kurzerhand den Blumenkranz und schmückte ihr raspelkurzes Haar damit. «Überhaupt war es schön zu sehen, wie die Leute überall stehen geblieben sind, als das bunte Tram voller Kinder mit zwei Irren und der geschmückten Chauffeuse vorbeigeruckelt ist», meinte Andrea Fischer später dazu. Die Kinder sponnen munter groteske Namensvorschläge für das Rumpelstilzchen und sangen laut im Chor «Ratzdefatz, ratzdefatz».

«Überhaupt war es schön zu sehen, wie die Leute überall stehen geblieben sind, als das bunte Tram voller Kinder mit zwei Irren und der geschmückten Chauffeuse vorbeigeruckelt ist.»

Ein wild gewordenes Rumpelstilzchen hüpfte durch den Gang, als hätte es Flöhe in den Schuhen. Es ging heiss zu und her – nicht nur wegen der Sommersonne, die aufs Metalldach brannte. Einfühlsam tröstete ein kleines Mädchen die erhitzte Königstochter Andrea: «Weisch, ich han au u fescht müesse schwitze».

Selbst das sonst so herzbewegend ächzende Oldtimer-Tram ratterte fröhlich übers Gleis. Wenn ihr es heute irgendwo vorbeifahren seht, hört genau hin. Im leisen Knarren seiner hölzernen Verschalung könnt ihr beim Passieren der Weichen vielleicht noch hören: Ratzdefatz, ratzdefatz.

Wenn es nicht gestorben ist, fährt es vielleicht noch heute

Gute Neuigkeiten: Weil die Tickets schneller ausverkauft waren, als eine goldene Kugel in den Brunnen fällt, haben wir Zusatzfahrten organisiert. Das Trampunzel ist also am 19. September sowie am 10. und 17. Oktober nochmal unterwegs.  Die Tickets gibt’s ab Anfang August beim Kundenservice von Orell Füssli am Kramhof. Alle Infos wie Abfahrtsort- und -Zeiten finden Sie unter trampunzel.ch.

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