«Thank you, driver!»

Es gibt nicht wenige Menschen, die sagen, Zürichs Herz schlage im Takt der VBZ. Das ist ein schönes Kompliment – wie sehr die Qualität und Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs dieser Stadt geschätzt wird. Wie aber ist das in anderen Grossstädten dieser Welt? Sind Busse, Trams, S- oder U-Bahnen dort ähnlich pünktlich und komfortabel wie bei uns? In einer losen Serie werden wir solche und ähnliche Fragen rund um den internationalen ÖV zu beantworten versuchen – durch persönliche Berichte von sogenannten «Sonderkorrespondenten». Heute gibt Natascha Klinger einen Einblick in die Gepflogenheiten des ÖV auf den Schwesterninseln Gozo und Malta.

Ohne Bus gehe in Gozo und auch Malta nichts, heisst es im Reiseführer. Das stimmt so nicht ganz: Und ob ohne Bus etwas geht! Wir nämlich, und zwar zu Fuss; runter zum einstigen, unterdessen eingestürzten Wahrzeichen von Gozo, dem «Azure Window» im Westen der Insel. Kaum angekommen, wurde uns beschieden, dass die Strasse dorthin – notabene unser Zugang zum Meer – gesperrt sei, weil sie neu geteert werde. Macht aber nichts: Das einzige Übel während der rund halbstündigen Wanderung ist der Rückweg nachts, auf teils abrupt endenden Trottoirs und (auf der linken Fahrbahn, hier herrscht nämlich Linksverkehr) mit flott um die Kurve ziehenden Vehikeln im Nacken.

Auf einem derart sonnenverwöhnten Fleckchen Erde, das binnen drei Stunden Fussmarsch von Osten nach Westen durchquert werden kann, genügen ohnehin erst mal zwei Räder. Wir erklimmen die gozetanischen Hügel in den folgenden Tagen also per e-Bike, geniessen das Gefühl der Freiheit und abwechselnd Sonnenschein und Regentropfen im Gesicht. Jedenfalls so lange, bis die Fahrradkette reisst. Was alleine schon ein Grund sein könnte, auf den ÖV umzusteigen.

Weiter per Bus

Da der Fahrrad-Gepäckträger für den Koffer aber ohnehin zu klein ist, kommen wir auf der Reise zurück nach Malta doch noch in den Genuss, die von 5:30 Uhr früh bis 23:00 Uhr spät fahrenden Busse auszutesten. Rund halbstündlich gibt es eine Fahrgelegenheit, die Ortschaften sind untereinander gut vernetzt. 125 Linien gibt es auf den Inseln, davon 16 auf Gozo. In Malta sind ausserdem auch sieben Nachtbuslinien dabei.

Wir warten. Ob es die Italianità über das Wasser nach Gozo geschafft hat? Nein, der Bus biegt in San Lawrenz rund 5 Minuten später um die Ecke, als es der Fahrplan verspricht. Also sozusagen pünktlich. Günstig und schnell sei der hiesige ÖV, hat man uns gesagt. Das Erstere ist zweifelsfrei wahr. Für gerade mal zwei Euro steigen wir ein. Unser Ziel ist die Stadt Sliema auf Malta.

«Thank you, driver»

Ein wirkender Mann hebt die Hand zum Gruss und nickt in Richtung des Buschauffeurs, ehe er aussteigt: «Thank you, driver». Nebst der arabisch anmutenden maltesischen Landessprache hört man in der ehemals britischen Kolonie auch häufig Englisch und – der Nähe zu unseren südlichen Nachbarn geschuldet – auch italienisch. Nächster Halt: Das beschauliche Städtchen Victoria in Gozo, der kleinen Schwesterinsel von Malta. Auch dort bedankt sich eine offensichtlich Einheimische, bevor sie aus dem Bus der Innenstadt entgegenstrebt.

Was in der Schweiz das «Grüezi» beim Wandern, scheint auf der Mittelmeerinsel der persönliche Dank an die Adresse des Dienstleisters vorne im Fahrzeug. Ohnehin ticken die Uhren auf Gozo etwas gemächlicher, und Freundlichkeit wird gross geschrieben. Auffällig in dem modernen Standardbus sind beispielsweise die Farben der Sitze: Vorne rot, hinten blau. Es handelt sich dabei nicht um eine Ehrerbietung an den FC Barcelona, sondern um eine Kennzeichnung: Die vorderen, roten Sitze nämlich sind reserviert für ältere oder gebrechliche Menschen und schwangere Frauen. Das junge, gesunde Volk möge den hinteren Teil des Busses aufsuchen, dessen Sitze auch etwas umständlicher zu erklimmen sind. Eine Selbstverständlichkeit, eigentlich: Sowie eine betagtere Dame das Fahrzeug besteigt, springt die Mittzwanzigerin auf, um den roten Sitz freizugeben.

Günstig und… schnell?

Nach der Überlandfahrt geniessen wir erst mal die kühle Brise auf der Fähre über das Meer. Anders als beim ZVV ist die Fahrt mit dem Schiff nicht im Ticketpreis inbegriffen. Bei der Ankunft auf maltesischem Grund steigen wir aber wiederum in den Bus und dürfen dort unser 2-Euro-Ticket weiter benützen. Dieses ist nämlich zwei Stunden gültig, und obwohl unsere Fahrt insgesamt länger dauert, will der Fahrer kein Geld mehr: «Es gilt der Zeitpunkt, an dem Sie eingestiegen sind.»

Der ÖV in Malta ist perfekt für alle, die wenig Geld, aber auch keine Eile haben. Was wir angesichts des Versprechens «günstig und schnell» nämlich ein bisschen anders empfinden, ist das Prädikat «schnell». Die Strecke vom Flughafen zur Fähre beispielsweise dauert mit dem Taxi 45 Minuten, mit dem Bus geht es eine Stunde länger. Auf unserer heutigen Reise kommt erschwerend das «Stop-and-Go»-Fahrverhalten unseres Chauffeurs hinzu, das sich ein bisschen anfühlt wie der Ritt auf einem Kamel. Was ja irgendwie zu der trockenen, orientalisch anmutenden Landschaft passt, die da vor dem Fenster vorbei zieht. Nach rund drei Stunden haben wir – klimatisiert hin oder her – aber trotzdem auch irgendwie genug und sind froh, endlich wieder in der Sonne zu stehen. Wir steigen aus, und – «thank you, driver».

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