Wo sich Tram und Gabelstapler süsse Träume wünschen

Wir waren dabei an der «Langen Nacht der Unternehmen» und lernten, wann bei der Transportfirma Planzer die Päckli so richtig rollen und was mit den Trams der VBZ geschieht, wenn sie im Depot zum Stillstand kommen. Ein Report voller neuer Einsichten und Perspektiven.

Wenn draussen die Strassenlaternen angehen und vielerorts der nahende Feierabend herbeigesehnt wird, läuft die Arbeit in so manchem Betrieb noch auf Hochtouren. Dies geschieht jedoch meistens fernab der Öffentlichkeit. Umso willkommener ist deshalb die «Lange Nacht der Unternehmen», eine Zürcher Veranstaltung, die am 25. Oktober in vierter Folge stattfand. Insgesamt zwölf Firmen aus unterschiedlichsten Branchen öffneten dieses Jahr spätabends ihre Pforten und ermöglichten dabei Einblicke in ihre verborgenen Arbeitswelten – darunter das Medienunternehmen Tamedia, die Getreidemühle SwissMill, der Luftfahrt- und Schienentechnik-Konzern Bombardier, das Gartenbauunternehmen Spross, der Transportspezialist Planzer sowie erstmals auch die VBZ. Die rund 500 Besucherinnen und Besucher mussten sich im Vorfeld für eine der sechs allesamt kostenlosen Touren entscheiden, auf welcher jeweils zwei vorher bestimmte Unternehmen besucht werden konnten. Wer sich auf Tour 5 begab, steuerte auf direktem Weg ins nächtliche Kernbusiness der Planzer Transport AG und der VBZ zu.

«Alle anschnallen, bitte!»

Treffpunkt für alle Teilnehmenden ist um 17:45 Uhr auf dem direkt neben der Hardbrücke angesiedelten Busterminal. Insgesamt sechs grosse Reisebusse warten dort bereits auf ihren abendlichen Sondereinsatz. Es werden Aufkleber mit der entsprechenden Tour-Nummer verteilt, und ab 18 Uhr schwärmen die sechs Cars aus, jeder mit einem anderen Ziel vor Augen. Was positiv auffällt, ist die bunte Mischung der Besucher. Die Anzahl Frauen und Männer hält sich sehr ausgeglichen und die Altersspanne reicht von 12 bis 78 Jahren.

Erster Halt ist Altstetten, wo eines der wichtigsten Verteilzentren der Firma Planzer steht. Zu Beginn wird uns in einer ausführlichen Präsentation das seit 1936 bestehende Dietiker Familienunternehmen für Transport und Logistik vorgestellt. Danach folgen wir, in zwei Gruppen aufgeteilt, unserem jeweiligen Tourenleiter. In der Dispositionsstelle angekommen, erfahren wir auch gleich, wie geschäftig es dort trotz später Stunde zu und her geht. Die Belegschaft erstellt in Akkordzeit für jedes Fahrzeug den Routenplan sowie die dazugehörige Ladeliste für den Folgetag, während sie laufend weitere Kundenanfragen entgegennimmt.

Der Tag, an dem die Päckli rollen

Weiter geht’s in die imposante Lager- und Distributionshalle. Gabelstapler ziehen in erstaunlich schnellem Tempo ihre Bahnen über den glatten Boden. Die Mitarbeitenden wissen genau, wohin sie ihre Fracht transportieren müssen. Im hinteren Teil der Halle befinden sich Güterwagen, in diese, so lernen wir, bis punkt 23 Uhr die entsprechende Ware verladen sein muss. Bereits in wenigen Stunden werden die Waggons auf das Schweizer Schienennetz gehen, und ihre Fuhre an der richtigen Stelle zum Weitertransport ausladen.

Spontan entsteht eine angeregte Frage- und Antwortrunde. Wussten Sie etwa, welcher Tag bei der Firma Planzer für Hochbetrieb sorgt? Bei der Antwort, dass es an dem aus den USA importierten Shoppingevent «Black Friday» ist, gibt es in der Gruppe viele Lacher. Dann nämlich herrscht Betriebsamkeit sondergleichen: Statt den täglichen 120 bis 150 Lieferungen an Privatkunden, klettert die Anzahl der zu ausliefernden Pakete auf bis zu 600! Wir begeben uns wieder nach draussen, wo es bereits stockdunkel ist. Derweil vor der Lagerhalle emsig die Planzer-Lastwagen beladen werden, steigen wir wieder in den Bus, der uns auf direktem Weg nach Oerlikon fährt, wo sich die zweite heutige Nachtstation befindet – das Trampdepot 8 der VBZ.

Tief hinunter und hoch hinaus

Nach dem Empfang erhalten alle eine Sicherheitsweste, eine Schutzkappe – und erste wesentliche Informationen zum Standort und dem allgemeinen Betrieb. Wie wir erfahren, werden jedem Depot Tramlinien zugeteilt, in unserem Fall jene der Strecken 10, 11, 12, 14, 15 und 17 sowie die Fahrzeuge für Extrafahrten. Die Tramdepots haben allesamt eine Doppelfunktion inne: Tagsüber werden die eintreffenden Strassenbahnen einer routinierten und ganzheitlichen Kontrolle unterzogen, bevor sie wieder aufs Schienennetz geschickt werden. Nachtsüber, wenn die Trams den Feierabend antreten, gelten die Depots als Abstellanlage, bis die Wagen in den frühen Morgenstunden wieder ihre Arbeit aufnehmen und in alle Richtungen der Stadt ausschwirren. Deshalb, wird uns erklärt, sind auch die zentralen Standorte der Fahrzeugdepots von Wichtigkeit. Denn so werden zeitintensive Anfahrtswege in die Stadt gespart.

Wieder aufgeteilt in zwei Gruppen, begeben wir uns in die grosse Halle, in der sich schon bald die Trams aneinanderreihen werden. Ein paar wenige sind bereits eingetroffen und werden für den Folgetag einsatzbereit gemacht. Unter anderem gilt es die Innenräume zu reinigen, die Fahrerkabine auf Vordermann zu bringen und die Sandstreuer aufzufüllen.

Bei unserem nächsten Halt heisst es «Kopf einziehen»! Wir steigen eine Treppe runter und befinden uns plötzlich unter einem Tram. Diese Perspektive ist wohl für die meisten in unserer Gruppe neu. Es werden derweil interessiert Fragen gestellt, die Depotchef Jörg Becker ausführlich beantwortet.

Wieder oben angelangt, geht’s auch gleich schon hoch hinaus. Auf einer schmalen gelben Stiege begeben wir uns auf die Galerie. Die höhere Lage ermöglicht einen Rundumblick über die gesamte Depothalle. Waren wir vor Minuten noch auf Augenhöhe mit den Rädern des Trams, stehen wir jetzt direkt neben seinen Stromabnehmern. Auf dieser Dacharbeitsstelle, wie die Galerie auch genannt wird, kann es im Sommer ganz schön heiss zu und hergehen – auch wegen der Oberseitentemperaturen von frisch ins Depot gefahrenen Trams, die bis zu 50 Grad betragen können.

Die Ruhe vor dem Sturm

Es ist kurz nach zehn Uhr, und es herrscht eine eigenartige Stille, die nur ab und an von eintreffenden Wagen durchbrochen wird. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen. Die nächste Rushhour beginnt gegen halb elf und dauert ungefähr bis ein Uhr morgens. Dann finden sich alle dem Depot 8 zugeteilten Trams in der Halle ein, wo sie bis zum frühen Morgen verweilen. Wir gehen indes weiter zu den beiden Radsatzbearbeitungsmaschinen, von welchen eine bereits seit 1991 existiert. Sie dienen zur Behebung der Radabnutzungen, die im Laufe des Tages entstanden sind.

Wir haben Glück: In der neuen Maschine wird gerade an den Stahlrädern eines Cobra-Trams gearbeitet. Mithilfe von Schleifsteinen werden diese entsprechend ihres Abnutzungsgrades ausgebessert, sodass sie wieder vollumfänglich für ihre nächste Schicht einsatzbereit sind. Beim Schleifvorgang werfen die Radaussenseiten Stahlspäne ab, die sich wie Korkenzieher kräuseln. Einige davon liegen verteilt auf dem Boden. Doch Vorsicht: «Die sind so scharf wie Rasierklingen!», warnt uns Radsatzbearbeiter Danilo Zanzarella , der heute für die Instandhaltung der Räder zuständig ist.

Und als wir denken, die Tour sei zu Ende, erwartet uns im Einfahrtsbereich nochmals ein Highlight – nämlich die Depotrundfahrt im Oldtimer-Tram Ce 4/4, besser bekannt unter dem Namen «Elefant». Damit endet unser Rundgang dann aber auch, schliesslich zeigt die Uhr nun bereits 23 Uhr. Das Fazit der VBZ-Premiere an der «Langen Nacht der Unternehmen»? Die vielen zufriedenen Gesichter sagen mehr als 1000 Worte.

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