Wohlig grunzend im Spa

In Spanien darf ein «Cortador», der Mann, der den «Jamón» kunstvoll zurechtschneidet, an keiner Hochzeit fehlen. Diesen Part wird Stephan, Instruktor der Ziegler-Metzg, im «Welt der Schinken»-Tram übernehmen. Das Handwerk hat er sich in der Region Salamanca zeigen lassen. Er erzählt uns, was er dabei erlebt hat und wie es den Pata Negra-Schweinen in den Eichelhainen Spaniens geht.

Salamanca… der Name rollt so leicht über die Zunge wie ein Zauberspruch, der das Tor zu einer neuen Welt öffnen soll. Tatsächlich ist die Hauptstadt der spanischen Region Kastilien eher eine alte Welt. Bekannt für ihre geschichtsträchtige Universität, wurde das vor 2700 Jahren aufkeimende Städtchen von der Unesco gar zum Weltkulturerbe erklärt. Abseits des Rummels, draussen bei den Steineichelhainen, ist die Provinz aber auch Herkunftsort des berühmten «Jamón Ibérico», ebenso bekannt als Pata Negra-Schinken, und natürlich Heimat der gleichnamigen Tiere.

Auf der iberischen Halbinsel hat der «Jamón» freilich nicht die profane Bedeutung eines Konsumprodukts, sondern jene einer wichtigen Tradition, welche von den Familien seit jeher an ihre Nachkommen weitergereicht wird. Eine davon, die Familie Blàzquez, hat nun ihr Wissen auch mit einem Schweizer geteilt. Stephan, Instruktor der Ziegler-Metzg, wurde vergangenen Mai eingeladen, sich während vier Tagen die Fertigkeiten eines «Cortadors» anzueignen. Letztere nämlich wird der Profi, der vorübergehend wieder zum «Lehrling» mutierte, im «Welt der Schinken»-Tram der VBZ Genuss-Linie zur Anwendung bringen. Heute aber berichtet er uns, was er in Spanien erlebt hat.

Stephan, der 27-jährige Instruktor der Ziegler Metzg, war in Salamanca, um sich das Handwerk eines Cortadors zeigen zu lassen. (Bild: Patrick Mattes)

Nach dem Salzbad jahrelang abhängen

Die Aufgabe eines Cortadors ist es, den Schinken fachgerecht und nach allen Regeln der Kunst zu schneiden. Nach seiner Ankunft mittags in Guijuelo wird der Neuankömmling – von Siesta keine Spur – aber erst mal auf einen Rundgang durch die Produktion des seit 1932 existierenden Familienbetriebs geführt. Eine Szenerie wie in einer Saline erwartet ihn: Das Salz türmt sich zu kleinen Hügeln, wo der rohe Schinken mit Schaufeln in Salz getaucht und während 15 Tagen gepökelt wird. Das folgende Prozedere ist aufwändig: Nach einer Trocknungszeit von weiteren vier Wochen wird das Erzeugnis fein säuberlich mit einer Fett-Salz-Mischung eingerieben. Dieser Vorgang verhindert, dass der Schimmel in das Fleisch eindringt. Der grüne Flaum bildet sich nach einem Jahr, so lange bleibt der Schinken erst mal hängen. Hier, im Süden Spaniens, wird das Fleisch dann erst mal vom Schimmel gereinigt, ehe die Keule erneut eingerieben wird. Nicht so im Norden, wo man die Mixtur der dunkleren Farbe wegen einfach mal über den Schimmel drüber reibt. Jetzt ist eine längere Pause angesagt; geschlagene drei Jahre hängen die Keulen zahlreich von der Decke, fast so wie Fledermäuse in einer tropischen Höhle. Allein die Temperatur hält dem Vergleich nicht stand: Der Schinken braucht Luft, denn er gibt Wasser ab. Und so werden denn auch jeden Morgen die Fenster aufgerissen, um kräftig durchzulüften und den würzigen Duft der Blàzquez’schen Delikatessen ins Freie zu entlassen.

Messerscharfe Präzisionsarbeit und ein Beruf fürs Leben

Schnelllebigkeit ist kein Thema, hier in Guijuelo. Das gilt auch für die Loyalität der Mitarbeitenden. Juan, Chef der Schinken-Manufaktur, ist seit 45 Jahren mit von der Partie. Er ist nicht der Einzige, für den dieser Job nicht nur Lebensunterhalt, sondern auch Lebensaufgabe bedeutet: Auch Ricardo, welcher den Schinken mit Salz und Fett einreibt, arbeitet schon seit 50 Jahren für die Blàzquez‘. Das in der Region hoch angesehene Hause wird seit drei Generationen geführt, die Angestellten sind gerne Teil der Familie. «Die Stimmung ist sehr locker, das sind ganz liebe Leute, die mit Herzblut bei der Sache sind. Alle zeigten echte Freude, mir ihr Handwerk zu vermitteln», schwärmt Stephan.

Diese Offenheit hat dem Fleischfachmann denn auch die zehnstündigen, tatkräftigen Arbeitstage versüsst, denn, wie er sagt, «ist mein Engagement eine Antwort auf die Wertschätzung, dass ich als Ausländer das alles überhaupt erlernen darf.» Obwohl seit 5 Uhr auf den Beinen, ist für Stephan an diesem ersten Tag nach der Einführung nämlich noch lange nicht Feierabend. Jetzt werden die Messer gewetzt («scharf müssen sie sein»), Cortador Manuel, der seit seiner Lehre im Betrieb arbeitet, nimmt den 27-jährigen unter seine Fittiche. Was banal klingt, nämlich «Schinken schneiden», ist in Wirklichkeit ein veritables Kunsthandwerk. Systematische Schnitte werden mit millimetergenauer Präzision in treppenförmiger Anordnung dem Knochen entlang gesetzt. «Die Arbeit erfordert höchste Konzentration», musste unser Profi der Ziegler-Metzg erfahren. Am Ende entstehen quadratische, mundgerechte Stücke, wobei der Streifen des Fetts – auf dem Teller angeordnet – eine durchgehende, spiralförmige Linie bilden soll. Gerade so, als hätte ein Maler das Muster auf den Teller gepinselt.

Bis so ein Schinkenkünstler zum Höhepunkt einer spanischen Feierlichkeit beitragen darf – «der Cortador ist an der Hochzeit der zweitwichtigste Mann, direkt nach dem Bräutigam» –, schmunzelt Stephan, vergehen aber mehr als die vier Tage, die der Jung-Cortador zur Verfügung hat. Dennoch: Ehe er das Handwerk des Schinkenschneiders vertieft, geht’s an den folgenden Tagen morgens erst mal auf den Markt. Zum «Jamón» reichen die Spanier gerne ein knuspriges Brot mit gehackten Tomaten – und das, wichtig: hintereinander, nicht gleichzeitig. «Indem man sich ein bisschen umschaut, erfährt man auch, was hierzulande anders funktioniert als bei uns und wo wir noch etwas lernen können.»

Nach dem Eichelmenü ein Schlammbad im Spa

Das Wichtigste sind natürlich die Tiere selbst. Deshalb geht die Reise am zweiten Tag zum Bauerngut nach Crespos. Die Familie Blàzquez unterhält dort eine eigene Zucht von Tieren, die sich im Freien tummeln. Was er hier antrifft, entspricht so gar nicht den Bildern, die man bisweilen leider von der Schweinemast kennt. «Wenn der Bauer ruft, eilen alle Tiere sofort herbei», staunt Stephan. Bei einem Spaziergang mit den zufrieden grunzenden Bewohnern des Grundstücks zeigt sich die Atmosphäre unter den bis über 180 Jahre alten Eichelbäumen nachgerade idyllisch. Platz für die rund 120 Schweine gibt es genug: «Pro Tier sind zwei Hektaren eingerechnet.» In der Eichelsaison, im März, ernähren sich die dunkel gefärbten Ibérico-Schweine von den Früchten, welche die alten Bäume abwerfen. Das gibt dem Schinken seinen speziellen, nussigen Geschmack – bis zu zehn Kilo Eicheln schmaust so ein Tier pro Tag. Ausserhalb der Saison wird hauptsächlich Mais und Weizen verfüttert, und «ganz wenig Salz, das braucht jedes Säugetier», erklärt Stephan.

Die folgende Ankündigung von Bauer Pedro versetzt Stephan in Entzücken: «So, jetzt gehen wir ins Spa.» Gemeint ist natürlich kein Wellness-Aufenthalt für unseren Gast, sondern eine Wohlfühl-Oase für die Tiere: «Ich habe meinen Augen nicht getraut; die Schweine haben einen eigenen See. Alle sind sie ins Wasser, haben eine Runde gedreht und sich im Schlamm gewälzt, als Schutz vor Moskitos», erzählt er begeistert. Und fügt hinzu, natürlich werde auch beim Fleisch der Metzgerei Ziegler grössten Wert auf eine tierfreundliche Haltung gelegt: «Der Hof unseres Lieferanten Thomas Volkart in Niederglatt liegt fünf Minuten von der Metzgerei entfernt – da kann man jederzeit vorbeigehen». Dennoch, räumt er ein, hat man in der Schweiz natürlich nicht die Möglichkeit, den Tieren einen weitläufigen Eichelhain mit Wellnessanlage zu bieten.

Nebst dieser tierfreundlichen Haltung hat ihn am Ende aber auch der aufrichtige Stolz beeindruckt, mit dem hier jeder Einzelne über seine Arbeit spricht – angefangen vom Bauer bis hin zu jenem, der den Schinken einreibt. «Diese Wertschätzung für das einfache Handwerk fehlt bei uns mitunter ein bisschen», sinniert der Fleischfachmann. Und, was den «Jamón» betrifft: Der gehört – nicht nur in Salamanca, sondern generell in Spanien – einfach dazu. «Man geht ein Bierchen trinken, dazu gibt’s ein ‹Plättli› oder Tapas. Das ist nicht nur Genuss, es ist ein Stück Lebensgefühl.»

Cortador Stephan in der VBZ Genuss-Linie

Das «Welt der Schinken»-Tram fährt vom 20. Juni bis 19. September 2019 immer donnerstags um 18.00 – 19.30 und 19.45 – 21.15 Uhr. Serviert und vorgestellt werden acht hochwertige Schinkensorten. Stephan, unser Cortador, ist mit dabei und gibt Ihnen spannende Hintergrundinfos. Mehr Informationen und Tickets erhalten Sie unter genusslinie.ch.

 

 

 

 

 

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