Züri schlaflos: Kanzlei-Areal

Unsere erfolgreiche App «Züri schlaflos» offeriert mehr als 170 Geschichten über Zürcher Bars, Clubs, Kulturhäuser, Restaurants und andere urbane Hotspots und Schauplätze. Die Stadtneurotiker, Journalisten und Autoren Philippe Amrein und Thomas Wyss haben über unterschiedlichste Lokalitäten und Orte streng subjektive und oft ziemlich schräge kleine Stadtgeschichten verfasst.

Das Kanzlei-Areal

Unter den Füssen knirscht der Kies, und als ich meinen Blick vom Boden löse, erblicke ich vor mir das Kanzlei-Schulhaus. Weiter hinten sind konzentrierte Menschen zu sehen, die Metallkugeln durch die Luft werfen, was irgendwie französisch anmutet. Und dieser Eindruck stimmt auch, denn die gemütliche Sportart nennt sich Pétanque.

Während der warmen Jahreszeit wird «der Kies», wie die eingeschworene Fangemeinde den knirschenden Kanzlei-Platz nennt, generell fleissig genutzt. In erster Linie von hedonistisch veranlagten Twenty-, Thirty- und Forty-Somethings, die sich an der Freiluftbar einen Plastikbecher Bier oder einen gespritzten Weisswein holen, plaudernd herumstehen oder an einem der vielen Gartentische sitzen. Und genau hier lauert das grosse Gefahrenpotenzial, das von diesem Platz ausgeht. Denn in der Regel tritt der unwissende Fremde mit einem Bier in der Hand an einen der Tische, trifft dort Freunde und möchte sich natürlich zu ihnen setzen. Da jedoch alle Stühle besetzt sind, fragt er am Nebentisch, ob die dort leerstehende Sitzgelegenheit noch frei sei. «Logisch», sagen die Menschen am Nebentisch mit einem schelmischen Grinsen. Denn als der Fremde versucht, den Stuhl zum Tisch seiner Freunde herüber zu ziehen, muss er mitten im Gerucke feststellen, dass das blöde Teil festgekettet ist.

Die besagten Gartentische gehören zur Bar des Kino Xenix, das in der angrenzenden Baracke beheimatet ist. Diese wurde bereits vor über hundert Jahren erstellt, ursprünglich als provisorischer Kindergarten. Seit nahezu dreissig Jahren ist dort nun neben dem Kinosaal, in dem sorgfältig gestaltete Filmzyklen und Werkschauen gezeigt werden, eine schlauchartige Bar untergebracht. Auch wenn es im Xenix fast Tag für Tag schöne Momente zu erleben gibt, erlebt man die allerschönsten stets an lauen Sommerabenden. Weil dann die grandiosen Werke draussen unter freiem Himmel auf einer ziemlich grossen Leinwand gezeigt werden. Und man genau dann, wenn der Held oben im Film mit cooler Gestik eine Zigarette anzündet und einen Schluck Bier nimmt, dasselbe unten auf dem Kinostuhl auch machen kann.

Ein paar Schritte weiter befindet sich die Kanzlei-Turnhalle, in der regelmässig Tanzveranstaltungen durchgeführt werden. Wie das Xenix ist auch sie ein Spätprodukt der Zürcher Jugendunruhen von 1980. Der unwissende Fremde bekommt davon freilich wenig mit, und das ist auch nicht weiter schlimm. Nach seinem Faux-pas mit dem angeketteten Gartenstuhl muss er sowieso erst seine Fassung wiederfinden. Und damit die dann auch anhält, geben wir ihm gleich noch einen weiteren Tipp mit auf den Weg: Wenn Du knapp bei Kasse bist – geh einfach nach Hause. Und erkundige dich auf keinen Fall beim Barpersonal, ob sie dir zu ermässigtem Preis dein Glas mit Bier aus der Überlauf-Wanne unter dem Zapfhahn füllen könnten. Ich hab diese Frage vor Jahren einmal gestellt – und es bitter bereut.

Heute Freitag läuft im Openair-Kino der Film «Blood Simple» (USA 1984) von Joel Coen, morgen Abend dann «The Virgin Suicides» (USA 1999) von Sofia Coppola. Filmstart ist um 21.30 Uhr. 

Zur Website des Xenix.

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